Alina Cista, MA (Doktorandin)

Curriculum Vitae

Studium der Medien- und Kulturwissenschaften, Philosophie und Kunstgeschichte an der Bauhaus Universität Weimar und an der Universität Basel. Praktische Graduierung in Bildender Kunst mit den Schwerpunkten Audiovisuelle Gestaltung und Photographie am Institut Kunst der FHNW | HGK Basel und am International Center of Photography (ICP) New York City. M.A.-Arbeit zur Zeit- und Geschichtsproduktion sowie deren werkimmanenter Reflexion in Claude Lanzmanns epochaler Film-Dokumentation SHOAH. Seit 2018 aktive Mitarbeit im Lehrstuhlkolloquium von Prof. Dr. Angelika Krebs.

Chantal Akerman: Ästhetik und Ethik der Stimmung

Stimmungen laden zur Resonanz ein. Der Ausdruck von Stimmungen in der Filmkunst von Chantal Akerman dient aber nicht nur zur ästhetischen Betrachtung, sondern auch zur Formulierung eines ethischen Anspruchs. Von dieser Annahme ausgehend, leistet das Forschungsprojekt einen Beitrag zum Verständnis von Akermans prägnant von Affekten getragenen audiovisuellen Formen und ihrem Willen, den Zuschauerinnen und Zuschauern von Angesicht zu Angesicht und auf Augenhöhe zu begegnen.

In ausgewählten Filmen werden vor dem umfassenden sinnlich-affektiven Hintergrund einzelne Stimmungssequenzen systematisch analysiert. Das Projekt hat zum Ziel, die Bedeutung filmästhetischer Stimmung im Hinblick auf ihre ethische Potentialität zu befragen. Die Untersuchung ist in die interdisziplinäre Forschungsfrage nach der Relevanz von nicht-propositionalem Wissen als einer vernachlässigten Wissensform eingebettet. Denn ein gutes Leben beinhaltet auch die Spürbarmachung und Kultivierung sinnlich-emotionaler Reaktionen. So scheinen die materialisierten Komplexe sinnlich-affektiver Wahrnehmungen, Empfindungen und Sensationen bei Akerman u.a. zu ermöglichen, dass wir uns ganzheitlich auf das In-der-Welt-Sein einer Figur einlassen können und so begreifen, was es bedeutet, in einer spezifischen Stimmung zu sein. Dass dabei im sinnlich-emotionalen Mitschwingen mit den Filmbildern ein Zuhören sehend und ein Sehen fühlend, mitfühlend und wertend werden kann, basiert auf einer bewussten künstlerischen Entscheidung, was wie gezeigt wird. Als Ort der Repräsentation von Erinnerung, die produktiv erschaffen und an der kontinuierlich gearbeitet wird, trägt das Kino Akermans zur Beantwortung der Frage bei, wie filmische Stimmungen in der ästhetischen Resonanz sowohl den emotionalen Schatten der Shoah, Aspekte des Todes und der emotionalen Verkümmerung sowie der Verantwortung, der Freiheit, der Schönheit und der Liebe evozieren können und ferner persönliche Erlebnisse der Zuschauerinnen und Zuschauer zu berühren vermögen. Es wird auch diskutiert, welche Rolle einzelne Gefühle haben und ferner, wie Akerman mit ihren Filmen dazu einlädt, individuelle und kollektive seelische Verletzungen zu verarbeiten und ins Positive zu wenden, indem sie ein Gespräch eröffnet, das Gerechtigkeit befördern will und unser Leben lebenswert machen soll. In den Filmanalysen wird Bezug auf aktuelle Einsichten der Kunst- und Gefühlsphilosophie genommen, in denen Kunst als eine Möglichkeit der Expression und Materialisierung von Affekten und der Resonanz diskutiert wird.

Das Projekt möchte zu einem tieferen Verständnis für den ästhetischen und eudaimonistischen Wert von künstlerisch initiierten Resilienzprozessen beitragen und die Bedeutsamkeit von Akermans Ästhetik der Stimmung für das kollektive Gedächtnis aufzeigen.

Ko-Betreuung: Prof. Dr. Roland Reichenbach, Lehrstuhl für Allgemeine Erziehungswissenschaft Universität Zürich | Prof. Dr. Angelika Krebs, Lehrstuhl für Praktische Philosophie Universität Basel